Der langjährige Chef und Verleger von Marvel Comics war massgeblich an der Schöpfung populärer Superhelden wie Spider-Man, Hulk, den X-Men und Black Panther beteiligt. Nun ist er im Alter von 95 Jahren im Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles gestorben. Der Grund ist noch unklar, Lee war im vergangenen Jahr immer wieder erkrankt.
Stan Lees Helden waren anders, anders als die properen, ja gottgleichen Helden wie Superman und Wonder Woman. Seine Superhelden waren menschlich. Sie waren keine platten Wunscherfüllungsvehikel oder Macho-Fantasien, die Kräfte der Helden von Stan Lee kamen aus Trauer, aus Wut, auch aus eigener Fehlbarkeit und dies durchaus auch in heiterem Sinne. Seine Figuren haben nicht nur fiese Gegner, sondern auch echte Probleme. Spider-Man etwa, eine seiner bekanntesten Figuren, konnte in der Welt mit seinen Superkräften viel ausrichten, Netze werfen und von Hochhaus zu Hochhaus schwingen. Im Inneren aber blieb Peter Parker ein von inneren Konflikten durchzogener Held, der sich der guten Sache verschrieb – und in Beziehungsfragen alles andere als super war.
Stan Lee wurde am 28. Dezember 1922 als Sohn rumänischstämmiger Juden in New York unter dem Namen Stanley Martin Lieber geboren. Schon als Teenager begann er beim Comicverlag Timely Publications, der später zu Atlas und schliesslich zu Marvel Comics umbenannt wurde, zu arbeiten. Zunächst als Kopierassistent, dann, mit 17 Jahren, als Redaktor. Damals waren Comics vorwiegend auf Kinder und Teenager zugeschnitten. Lee begann mit Geschichten für «Captain America», einer Serie, die von Joe Simon und Jack Kirby zu Beginn des Zweiten Weltkriegs als Propaganda-Comics gegen Nazi-Deutschland entwickelt worden war. Auf dem ersten Cover von 1940 ist Captain America in voller US-Nationalflaggen-Montur zu sehen, wie er Adolf Hitler einen Kinnhaken verpasst. Als er dann anfing, selbst Geschichten zu schreiben und Helden zu entwerfen, gab er sich mehrere falsche Namen, denn er wollte den Eindruck erwecken, dass Marvel mehr Autoren hatte, als das tatsächlich der Fall war.
Mit dem ausdrucksstarken Zeichner Jack Kirby begründete Lee in den Sechzigerjahren eine kleine Comic-Revolution, denn in den Fünfzigerjahren war der Verlag DC tonangebend in den USA und machte mit properen Helden wie Superman, Batman und Wonder Woman ordentlich Kasse. Atlas/Marvel dagegen funktionierte als Gemischtwarenladen, der je nach Kinotrends und Publikumsgusto Western-, Monster- oder Science-Fiction-Helden in die Welt stellte und wieder verschwinden liess. «Wir gaben den Leuten einfach, was sie haben wollten», sagte Lee, der zu jener Zeit Chefredaktor bei Marvel war. Allerdings sah er keine Zukunft in seiner Branche und war entschlossen, Schriftsteller zu werden. «Wir fabrizieren hier Nonsense», sagte er angeblich zu seiner Ehefrau Joan. «Comics sind ein bescheuertes Business für Erwachsene.» Doch es sollte anders kommen.
Als der grosse Konkurrent DC Comics die «Justice League» schuf, antworteten Lee and Kirby 1961 mit den Fantastic Four für das neu benannte Marvel Comics. In Folge schuf er, oft gemeinsam mit Partnern wie dem im Juli gestorbenen Steve Ditko, Ikonen der bunten Bildwelten, die rasch zum Millionengeschäft anwachsen sollten. Lee war (mit-)verantwortlich für unter anderem Black Panther, Spider-Man, die X-Men, Thor, Iron Man, die Fantastischen Vier, den unglaublichen Hulk und auch Ant-Man. Lee brachte Vielschichtigkeit in die zweidimensionalen Comics-Kasten. Er half, die Comics zu jener Massenkultur zu machen, die sie ab den 1960ern wieder wurden, nachdem der Markt zuvor schwere Probleme gehabt hatte. Denn er sah darin mehr als reine Unterhaltung, er war Vorreiter darin, über Comics auch ernsthafte Themen abzuhandeln. Seine Helden hatten Neurosen, verhandelten soziale Anliegen und hatten oft auch viel Humor, was den Halbgöttern von DC bis dahin völlig fehlte.
Doch der Erfolg hatte seinen Preis, es folgten Rechtsstreitigkeiten mit seinen Partnern. Diese, insbesondere Kirby, warfen ihm vor, dass er sie über den Tisch gezogen hat. Lee, der sich oft mit Augenzwinkern auch seinem eigenen Status näherte, sagte, dass er selbst in finanziellen Fragen auch kein allzuglückliches Händchen hatte. Gewinnbeteiligung an Marvel bekam er, wie die anderen Marvel-Mitarbeiter auch, keine, für Autogramme verlangte er 120 Dollar. Doch Lee verdiente etwas anderes, er wurde selbst eine Art Superheld, eine Comics-Legende, die das sogenannte «silberne» Zeitalter der Popkulturform prägte. Sein Werk ist eines der wichtigsten der Popkultur des 20. Jahrhunderts. Superhelden beherrschten das Blockbusterkino der letzten Jahre und gerade Marvels vielschichtige Helden haben einen triumphalen Leinwandsiegeszug geschafft. Viele der lukrativsten Filme überhaupt drehen sich um Marvel-Helden, die zuletzt in den Besitz von Disney übergingen. Insgesamt nahmen Marvel-basierte Filme seit der Jahrtausendwende 24 Milliarden Dollar ein. «Ich bin der glücklichste Kerl der Welt», sagte Lee im April zur New York Times.
Ich bin mit Spidey grossgeworden, als die deutschen Übersetzungen auf den Markt kamen. Mit Pechvogel Peter Parker konnten sich viele Jugendliche identifizieren und er war immer einer meiner Lieblingshelden. War eine tolle Comic Welt damals. Danke Stan, du warst verantwortlich, die Kindheit, sowie die Jugend so unendlich vieler mit Fantasie, Spiel, Spass und Träumen geprägt zu haben. Für die einen mag das kindisch sein, aber für die anderen ist das eine wahrlich grossartige Leistung, die es zu würdigen gilt. Danke für die zig tausend strahlenden Kinderaugen weltweit, denn das ist dein eigentliches Lebenswerk. Ich wünsche dir eine fantasievolle Ewigkeit, wo immer du jetzt auch sein magst…