Abgesehen vom Tod gibt es kaum einen Aspekt des menschlichen Lebens, der so systematisch ausgeblendet wird wie das Gefühl der Wut. Schon als Kind wird uns beigebracht, Wut nicht ausdrücken zu dürfen. Ein wütendes Kind wird schnell aus dem Verband ausgeschlossen oder vor die Tür gestellt, «wo es sich austoben soll» – eine Reaktion, die Ausdruck sozialer Konditionierung ist und zeigt, dass wir mit Wut weder konstruktiv umgehen lernen, noch nach den Gründen fragen, warum ein Kind (oder Erwachsener) wütend ist. Wut wird als ein böses, böses Gefühl stigmatisiert, das es zu unterdrücken gilt und dem man bei anderen aus dem Weg zu gehen habe.
Kaum erwachsen wird einer Frau, die wütend ist, suggeriert, sie sei »schwierig«, »anstrengend« oder eine «Bitch». Und wer weiss, wie viele erwachsene Männer nach wie vor glauben, sich einen anzusaufen und eine Schlägerei anzufangen, sei ein konstruktiver Umgang mit Wut! Wir haben nie gelernt, Wut zuzulassen, wirklich zu fühlen und auch anderen dieses Gefühl zuzugestehen; von einer in konstruktive Bahnen gelenkten Wut ganz zu schweigen. Es wird unterdrückt und unterdrückt, ganz so wie es die Gesellschaft der braven Bürgerin beibringt. Ob da ein Zusammenhang mit der tatsächlichen Pandemie auf diesem Planeten, dem rasanten Anstieg psychischer Erkrankungen, besteht, soll sich jeder selbst beantworten. Psychologen sind der Ansicht, dass nicht gefühlte Wut einer der Hauptgründe für Depressionen ist.
Im New Age und der Esoterik ist es leider nicht besser. Auch dort wird den Menschen vermittelt, negative Gefühle seien etwas Böses, Böses, das ein erleuchteter Mensch nicht fühlt bzw. kontrollieren kann. Fühlt jemand Wut, wird das häufig abgewertet. «Du bist aber noch sehr im Verstand!» oder «Ich merk da bei dir noch starke Ego-Anteile!» sind nur ein paar der angelesenen Reaktionen, die letztlich nur Ausdruck der Unfähigkeit, mit Negativität umzugehen, sind. Dass die «esoterische» Reaktion auf Wut dem gebetsmühlenartig gepredigten Gesetz der Polarität zuwiderläuft und einen unmenschlich gewordenen Menschen fordert, wird innerhalb dieser Kreise selten wahrgenommen.
In Wahrheit ist Wut nicht ausschliesslich negativ. Mark Passio unterscheidet zwei Arten der Wut: die triviale Wut und die begründete Wut. Die triviale Wut, so Passio, basiert immer auf Ego und bezieht sich auf irrelevante Dinge. Jemand wird wütend, weil seine Lieblingsschokolade ausverkauft ist oder weil sie die Beförderung nicht bekommen hat. Triviale Wut führt zu keiner Verbesserung. Begründete Wut hingegen bezieht sich auf konkrete Missstände in der Gesellschaft, auf unmoralisches Verhalten, auf Ungerechtigkeiten. Sie kommt nicht wirklich aus dem Ego, sondern reagiert auf grössere Zusammenhänge, die alle betreffen. Begründete Wut zielt stets auf eine Verbesserung der Umstände ab.
Wut kann mit anderen Worten Dinge in Gang bringen. In die richtigen Bahnen gelenkt kann Wut Mut und Willenskraft aktivieren. Da wo sie Veränderungen bewirkt, kann sie eine revolutionäre Kraft sein. Wut, so paradox das klingen mag, kann aus dem Herzen kommen, wenn ihr Sinn darin besteht, eine Verbesserung der Umstände für alle herbeizuführen. Wut hat mit Selbstliebe und Respekt mir und anderen fühlenden Lebewesen gegenüber zu tun, wenn sie als Reaktion auf die Pervertierung des Lebens verstanden wird.
Wer angesichts der zunehmenden Einschränkung von Rechten und dem grassierenden Wahnsinn in den westlichen Ländern nicht wütend ist, mit dem stimmt etwas nicht, und zwar ganz ausdrücklich. SO JEMAND IST SEELISCH BEREITS ZERBROCHEN! Wut ist angesichts der kollektiven Geistesgestörtheit eine gesunde, eine legitime Reaktion. Jemand, der sieht, was hier alles falsch läuft und nicht wütend ist, leidet an kognitiver Dissonanz. Bei so einem Menschen hat das reale Böse bereits gewonnen. Im Gegensatz zu den Kindergeschichten, die man den Leuten erzählt, geht es dem realen Bösen nämlich weder um Geld noch Macht, sondern um die Zerstörung der Individualität und Seele des Menschen.
Ist die sozial geförderte Unterdrückung der Wut ein Zufall? Ein klitzekleines Missgeschick der Evolution? Keineswegs. Es ist Teil des Programms des Bösen. Es ist so eine Art emotionale «Mind Control» und Teil dessen, was sich «Epigenetik» nennt. Vereinfacht gesagt, meint Epigenetik ein durch Manipulation des Umfelds des Menschen verändertes Erbgut, das der Mensch an seine Nachkommen weitergibt. Dem realen Bösen geht es mit anderen Worten um nichts Geringeres als eine Spezies zu züchten, die – auf lange Sicht – nicht mehr wütend sein KANN und auch nicht mehr in der Lage ist, Ungerechtigkeit wahrzunehmen und dagegen aufzubegehren. Knallhart gesagt, soll das systematische Aberziehen der Wut den perfekten Sklaven in milliardenfacher Ausführung hervorbringen. Das geschieht nicht über Nacht, aber über Jahrzehnte und Generationen – und da, Ladies und Gentleman, sind wir mittendrin.
(via Mario Rader)