Pässe und Personalausweise sollen in der EU vollständig digitalisiert und die Grenzkontrollen sollen mit biometrischen Erkennungsverfahren durchgeführt werden. Spätestens seit der Corona-Pandemie würden die Bürger «die Nutzung kontaktloser Technologien als Grundvoraussetzung für sicheres und reibungsloses Reisen» erwarten, schreibt die EU-Kommission. Sie will «die Sicherheitsvorschriften im Hinblick auf einen sichereren Schengen-Raum verstärken», das Reisen vereinfachen «und damit die Attraktivität der EU erhöhen». In Tat und Wahrheit geht es um etwas ganz anderes…
«Die ausschliessliche Verwendung physischer Dokumente erschwert effiziente Grenzübergangskontrollen, und die Ausstellung solcher Dokumente an abgelegenen Orten kann Probleme bereiten, die letztlich den internationalen Reiseverkehr behindern», heisst es in einem Dokument, das die Grundlage für eine öffentliche Konsultation zur Folgenabschätzung im Herbst bildete. «Der Einsatz biometrischer Lösungen» soll es den für die Überprüfung zuständigen Behörden» und den Grenzkontrollen ermöglichen, die Identität der Reisenden zuverlässiger festzustellen und gleichzeitig das mit den einzelnen Reisenden verbundene Risiko zu verringern». Von den 360 Stellungnahmen zur Folgenabschätzung fielen fast alle negativ aus.
Die Kommission konsultiert nun mehrere Varianten des «Digital Travel Credentials» (DTC). Bis zum 28. Juni kann jeder über einen Fragebogen der EU-Kommission seine Meinung zu digitalen Reisedokumenten mitteilen. Als Option schlägt die Behörde eine EU-Verordnung vor, die die Mitgliedsstaaten verpflichten würde, den geplanten DTC-Standard der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) umzusetzen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen dann ohne herkömmliche E-Gates oder Kontrollkabinen die Grenzen passieren können. Im Gegenzug wird ein «umfassender Abgleich biometrischer Daten» durchgeführt. Zu diesem Zweck baut die EU seit einigen Jahren eine biometrische Superdatenbank für alle IT-Systeme im Sicherheitsbereich auf. Ein Gesetzesvorschlag soll im dritten Quartal 2023 vorgelegt werden.
Über 300 kritische Stimmen in der Herbst-Folgenabschätzung
Bei der Folgenabschätzung im Herbst gab es 360 Stellungnahmen – fast alle negativ. So kritisierte beispielsweise der schwedische Nationale Gesundheitsverband, der sich für die Naturmedizin einsetzt, das Projekt scharf, als es im Herbst untersucht wurde: Nur die EU-Regierungen hätten «das Bedürfnis, die Gesundheit der Menschen zu überwachen» und Impfungen durchzuführen. Dies sei «ein ungesunder Ansatz», der die Idee zerstöre, dass jeder mit einem Pass oder Personalausweis frei reisen könne. Ausserdem kann die Person, die ein Reisedokument in ihrem Mobiltelefon mit sich führt, über die GPS-Funktion geortet werden. Dies allein stellt schon «eine grosse Gefahr für die Privatsphäre» dar.
Andere Teilnehmer sehen auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Gefahr. Wenn die Daten des Personalausweises kontaktlos abgefragt werden könnten, würde man schnell die Kontrolle verlieren. Digitale Reisedokumente sind unsicher und reduzieren den Menschen auf biologische Merkmale wie Fingerabdruck, Gesicht und Iris. Bei entsprechenden Scans bekommt die künstliche Intelligenz (KI) zu viel Macht, obwohl sie solche Entscheidungen eigentlich nicht treffen sollte.
Übrigens finden die Vorbereitungen für «Digital Travel Credentials» (DTC) in vielen EU-Ländern schon seit Jahren statt, denn genau dies ist der Grund, wieso Personalausweise, Identitätskarten und Pässe mit Biometrischen Daten der Halter angereichert werden – wieso auch sonst sollte man diese sammeln?
(via heise)