Ich habe die letzten 2 1/2 Jahre Dinge gelesen, gesehen, erlebt und erfahren die ich in der Schweiz nie für möglich gehalten hätte. Ich dachte immer die Verfassung sei in Stein gemeisselt und unantastbar, die Gewaltenteilung, welche seit 1815 existiert, sei über jeden Zweifel erhaben und zuletzt auch, dass in der Schweiz das Volk entscheidet. Ich wurde eines Besseren belehrt. Für mich persönlich ist die Schweiz nicht mehr existent. Vermutlich war dies schon länger so, aber man hat es nicht gemerkt, weil nur an oberflächlichen Themen gekratzt wurde.
Jetzt in der grössten Krise der Schweiz seit dem 2. Weltkrieg musste man leider ganz leidenschaftslos feststellen, dass das Bild einer demokratischen, fairen und vorallem rechtsstaatlichen Schweiz eine Illusion ist – und offensichtlich schon immer eine Illusion war. Die Schweiz, so wie es sich die Mehrheit der Bürger denkt, hat nie existiert. Nicht 1291, nicht 1815 und heute erst recht nicht. Es wurde nur immer «auf kleiner Flamme gekocht», dass es etwas länger gedauert hat, bis das ganze Fett nach oben aufschwimmt. Oder glaubt jemand ernsthaft, dass sich die Schweiz während zweier Jahrhunderte hätte der Kriege enthalten können, nur weil sie so friedliebend und neutral sich ausgab, ohne dass übergreifende Interessen von Bedeutung gewesen wären?
Ganz abgesehen davon, dass sich die Schweiz zwar wohl so nannte, aber in Wirklichkeit nie neutral war. Von Anbeginn an hat sie die Welt mit Söldnern bestückt und mit der Industrialisierung auch mit Waffen… es wird nicht drüber geredet und doch ist es so. Ein ganz wesentlicher Punkt ist auch die Schweiz als Weltsparschwein. Man will ja schliesslich nicht, dass während kriegerischer Auseinandersetzungen das ganze «Schwarzgeld» flöten geht. Was wäre da geeigneter als ein neutraler Staat, der auch noch brav die Schnauze hält und der sich faktisch im Zentrum des Kriegsgebietes befindet… da macht man doch gerne auch einen Umweg mit den Truppen… für die Güter war das ja nicht nötig, weil alle davon profitierten. Dazu kommt noch, dass jeder Drahtzieher sich in der Schweiz sein Anwesen erwerben konnte, um von da aus die Geschicke der Welt mit zu beeinflussen und womöglich auch das eine oder andere unsaubere Geschäft zu tätigen.
Was eignete sich besser, als ein Land, dessen biedere Bevölkerung, im besten Glauben, der Saubermann der Welt zu sein, um diese Machenschaften zu deckeln und im Gegenzug ihnen auch noch Wohlstand, Sicherheit und Mitbestimmung vorzugaukeln? Die bürgerliche Schweiz hat einen hohen Preis dafür bezahlt, bezahlt ihn noch und wenn sie es vollumfänglich wüsste, wären bis morgen ziemlich viele Strassenlaternen mit den Zeichen der Lynchjustiz dekoriert… Doch es ist Tatsache, dass ein leider zu grosser Teil der Bevölkerung dies nicht mal merkt oder es einfach nicht merken will, weil es ihnen egal ist. Man dachte immer, dass gewisse Dinge niemals geschehen würden, weil die Menschen dies nicht zulassen würden.
Aber sie haben und werden es zulassen und es sogar noch als «gut» befinden. Nun geht der ganze Zauber bald wieder los. Die Medien rüsten schon wieder auf zur nächsten Runde und die ersten Teile der Bevölkerung freut sich schon wieder darauf weiter zu machen als gäbe es kein Morgen mehr. Tja – irgendwann gibt es kein Morgen mehr wenn man so weitermacht und alle roten und tiefroten Linien ignoriert, welche man in den letzten 500 Jahren niemals überschritten hat. Ich würde gerne auch etwas Positives schreiben – aber ausser «ich freue mich über diesen schönen heissen Sommer» – aber das soll ja jetzt auch wieder eine Katastrophe sein… ich denke das einzige was wirklich helfen könnte wäre eine offene und faire Aufarbeitung aller Vorgänge – aber bisher hüllt man sich lieber in Schweigen…