Stellen wir uns vor: Ein 72-jähriger Professor, ein ein Jahr alter Tweet und vier (!) Polizisten an der Tür. Nein, kein Dreh für «Aktenzeichen XY», sondern die neue Staffel «Artikel 13 – jetzt auch zum Durchwinken». Die Wohnung als höchstes Schutzgut? War mal. Heute: Schauplatz für Beweisaufnahme Deluxe, weil ein Staatsanwalt und ein Amtsrichter offenbar beschlossen haben, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Deko zu betrachten.
Worum ging’s? Um die bahnbrechende Frage, ob der Professor seinen Tweet selbst abgesetzt hat – von seinem Account, Überraschung: ja. Lösungsmöglichkeiten: Telefon, Vorladung, zwei Minuten Verstand. Gewählte Massnahme: Haustür-Auftritt im Quartett. Wenn schon die Rechtsgrundlage dünn ist, muss zumindest der Auftritt massiv sein. Symbolpolitik kann die Strafprozessordnung zwar nicht ersetzen, aber sie macht sich gut auf dem Flur.
Nun zum langweiligen, aber entscheidenden Teil: Remonstrationspflicht. Beamte sind keine Erfüllungsgehilfen mit Parkschein fürs Hirn. Sie müssen widersprechen, wenn eine Massnahme offenkundig rechtswidrig wirkt – erst beim Vorgesetzten, dann eine Ebene höher. Vier Beamte, vier Remonstrationen, vier Aktenvermerke: Das hätte Spuren hinterlassen – bei der Staatsanwaltschaft wie beim Gericht. Stattdessen: kollektiv «Wird schon passen». Spoiler: Tut es nicht.
Parallel blühen Meldestellen für alles unterhalb der Strafbarkeit – Denunziation im Abo, staatlich kofinanziert, gern im NGO-Mantel. Ergebnis: Anonyme Klicks, Datenhalden, Verdachtswolken. Zwanzig Meldungen ohne Delikt? Irgendwer sagt am Ende: «Da wird schon was dran sein.» Datenschutz? Ein Gefühl von gestern, genau wie Satirefreiheit, die früher an einer simplen Grenze hing: Strafbar oder nicht. Heute: «unter der Grenze, aber meldefähig». Stasi-Feeling in Pastellfarben.
Und ja, Corona war die Generalprobe. Von der Maskenmoral über Demonstrations-Doppelstandards bis zur Pavlovschen Empörung im Bus: Denunziantentum wurde sozialisiert. Wer damals remonstrierte, riskierte Karriere; wer exekutierte, sammelte Punkte. Das sitzt tief – so tief, dass heute ein Tweet reicht, um die Haustür zur «Beweissicherung» zu öffnen. Rechtsstaat als Stimmungsgerät: Drehknopf links, Grundrechte runter.
Dabei liegen die Leitplanken seit Jahren auf dem Tisch: Art. 13 GG ist kein Wandtattoo. Durchsuchungen sind ultima ratio, mit strengen Anforderungen an Tatverdacht, Erforderlichkeit, Geeignetheit, milderes Mittel. Gerade bei Medien, Anwälten, Pressebezug gelten erhöhte Hürden. Wer das ignoriert, begeht keine «kreative Auslegung», sondern Regelbruch mit Ansage. Parteifarbe? Irrelevant. Massstab? Gesetz und Rechtsprechung. Punkt.
Dass Polizisten zwischen Demonstrationschaos, Handykameras und politischem Zickzack zerrieben werden, ist unbestritten. Umso wichtiger: Rückgrat mit Gesetzestext statt Bauch mit Wetterbericht. Rechtssicherheit entsteht nicht aus Zurückhaltung bei den Falschen und Härte bei den Richtigen, sondern aus Verlässlichkeit. Ein «Nein» zur rechtswidrigen Massnahme schützt nicht nur Bürger, sondern den Beamten selbst – haftungsrechtlich wie moralisch.
Fazit ohne Zuckerguss: Rechtsstaat ist nicht die Kunst, Türen schön zu öffnen, sondern Grenzen ernst zu nehmen. Staatsanwälte und Richter, lest die Leitlinien, bevor ihr unterschreibt. Beamte, remonstriert, wenn’s schief riecht. Politik, schafft Denunziationsportale unterhalb der Strafbarkeit ab. Und Bürger: Dokumentiert, fragt nach, wehrt euch.
Vier Beamte für einen Tweet sind kein Ausrutscher. Sie sind ein Symptom. Wer das normalisiert, normalisiert den Ausnahmezustand. Ende der Durchsuchung…

«Dravens Tales from the Crypt» bezaubert seit über 15 Jahren mit einer geschmacklosen Mischung aus Humor, seriösem Journalismus – aus aktuellem Anlass und unausgewogener Berichterstattung der Presse Politik – und Zombies, garniert mit jeder Menge Kunst, Entertainment und Punkrock. Draven hat aus seinem Hobby eine beliebte Marke gemacht, welche sich nicht einordnen lässt.







