Windisch, 27. Oktober 2025. Thema des Abends: «Wie hilft Datenanalyse der öffentlichen Gesundheit?» Übersetzung ins Reale: Wie verteidigt man die eigene Deutungshoheit, ohne dass jemand lästige Rückfragen stellt? Schauplatz: Fachhochschule Nordwestschweiz. Hauptdarstellerin: ETH-Professorin Tanja Stadler, Ex-Chefin der nationalen COVID-Taskforce und Hohepriesterin des «evidenzbasierten» Narrativs. Regie: Dr. Caspar Battegay, Leiter Kultur & Kommunikation – und offenbar auch Herr der Mikrofone.
Die Dramaturgie ist schnell erzählt. In der Fragerunde meldet sich Stefan Theiler, investigativer Journalist und langjähriger Kritiker der Corona-Massnahmen. Seine Sünde: Er fragt nicht, wie brillant die Modelle waren, sondern wo sie verzerrt, finanziell befeuert und politisch nützlich gewesen sein könnten. Ein Sakrileg – und prompt folgt die liturgische Korrektur: Mikrofon entreissen, Ton kappen, Debatte abwürgen. Ein ETH-Professor (Name im Tumult undeutlich) besorgt den Rest: «Das hier ist kein Biertisch!» – ein wunderbarer Satz, der exakt die Stimmung eines Biertisches erzeugt. Danach: Verbale Trommelfeuer, körperliches Gerempel, Abbruch. Wissenschaft, aber bitte ohne Wissenschaftlichkeit.
Wer nun glaubt, es handle sich um einen Ausrutscher, unterschätzt die Architektur. Unsere Hochschulen haben ein unsichtbares Geländer gezogen: Akzeptables Fragen links, abzuwehrendes Zweifeln rechts. In der Theorie leben sie von Falsifikation;, in der Praxis von Förderanträgen. Vor allem, wenn die damaligen Taskforce-Orbitanten im Raum sind – jene Kreise, die mit grosszügigen Budgets die Kurven zeichneten, die dann das Leben von Millionen kuratierten. Und falls jemand fragt, ob sich mit «Unsicherheit» vielleicht Macht verstetigen lässt – siehe oben: Mikro weg, nächste Frage.
Stadler referierte sauber über die Unfehlbarkeit der Daten. Theiler rannte – Kamera im Anschlag – dem Ausgang entgegen, um sein Material vor eifrigen Händen zu retten. Man kennt das Bild aus älteren Zeiten: Wer die Wahrheit ausspricht, braucht nicht nur ein schnelles Pferd, sondern neuerdings auch eine Kameraversicherung. Auf der Seite der Freiheitstrycher kursiert nun ein Videoschnipsel ab Minute neun: Man sieht, was man nicht sehen soll – die Hand am Mikro, die erhobenen Stimmen, das hastige Aufräumen der Peinlichkeit.
Natürlich kann man sagen: «Es ging doch nur um Moderation!» Sicher. Und Hausdurchsuchungen sind bloss besonders ambitionierte Wohnungsbesichtigungen. Der Punkt ist schlichter: Wenn Fragen gefährlich werden, ist nicht die Frage das Problem. Es ist das fragil gewordene Selbstbild einer Wissenschaft, die seit Jahren als politisches Orakel missbraucht wird – und sich an das Podest gewöhnt hat. Wer oben steht, mag keine Stufen.
Windisch ist darum mehr als ein lokaler Eklat. Es ist die kleine, ehrliche Szene eines grossen, unehrlichen Stücks: Zweifel wird zur Störung erklärt, Dissens zur Störung des Betriebsablaufs. Und der Betrieb? Er lobt sich anschliessend für seine «Debattenkultur», so wie man sich für Brandschutz feiert, nachdem man alle Feuerlöscher verschlossen hat.
Die Schweiz, so heisst es gern, sei die Heimat der Diskussion. Wenn das stimmt, sollte ein Mikrofon kein Zepter sein, das Gnade verteilt, sondern ein Werkzeug, das jeder in die Hand nehmen darf – besonders der, der die falsche Frage zur richtigen Zeit stellt. Bis dahin bleibt Windisch ein Lehrstück: über Daten als Dogma, Moderation als Mündungsbremse – und eine Öffentlichkeit, die sich fragen sollte, warum ausgerechnet Fragen heute den grössten Lärm verursachen.

«Dravens Tales from the Crypt» bezaubert seit über 15 Jahren mit einer geschmacklosen Mischung aus Humor, seriösem Journalismus – aus aktuellem Anlass und unausgewogener Berichterstattung der Presse Politik – und Zombies, garniert mit jeder Menge Kunst, Entertainment und Punkrock. Draven hat aus seinem Hobby eine beliebte Marke gemacht, welche sich nicht einordnen lässt.







