Der Bundesrat schwört Stein und Bein: Niemand wird zur E-ID gezwungen. Klingt nett. Aber wie immer steckt der Haken im Kleingedruckten – und der ist grösser als das Versprechen selbst. Denn Private dürfen sehr wohl einen «E-ID-only»-Service aufziehen. So viel also zur Freiwilligkeit.

Natürlich klingt die Sache praktisch: Statt mühsam Ausweiskopien auf windigen Plattformen hochzuladen, soll künftig ein digitaler Zauberausweis für Effizienz sorgen – Strafregisterauszug, Bankkonto, Telefonvertrag, alles bequem mit einem Klick. Klingt nach Fortschritt, ist aber eher Fortschrittsfessel. Dass das Projekt vor vier Jahren krachend am Stimmvolk scheiterte, scheint in Bern längst vergessen. Nun der zweite Anlauf: Diesmal bastelt der Staat selbst an der Software und fast alle Parteien klatschen im Takt. Die Parole: «Freiwillig, freiwillig, freiwillig.» Ein Mantra, so oft wiederholt, dass es verdächtig klingt.

Doch wie freiwillig ist «freiwillig»? Artikel 25 des Gesetzes klingt harmlos: Wer die E-ID nicht will, darf sich mit Pass oder ID ausweisen – aber nur persönlich am Schalter. Für den digitalen Raum gilt die goldene Ausnahme: Wo es keine physische Alternative gibt, herrscht digitale Pflicht. Onlineshops dürfen also künftig fröhlich rufen: «E-ID oder gar nichts.» Ein Schelm, wer da an Zwang denkt.

Für staatliche Institutionen bleibt angeblich alles demokratisch sauber – ein E-ID-Zwang sei hier ohne neues Gesetz unmöglich. Bei Privaten dagegen? Tja, die müssen nicht extra Schalter aufstellen, nur weil Oma Müller ihre ID lieber in die Kamera hält als durch eine App jagt. Also: Wer in einer Digital-only-Branche einkauft oder Verträge abschliesst, wird mit sanfter Hand Richtung E-ID geschoben. Praktisches Beispiel? Mobilfunkanbieter ohne Läden, Online-Shops mit Alterskontrolle. Willkommen im Reich der «theoretischen Möglichkeiten», wie der Bund es nennt.

Befürworter klammern sich an die Mär vom freien Markt: Wenn ein Shop nur E-ID akzeptiert, gehe man eben zur Konkurrenz. Klar – so wie man auch zwischen Pest und Cholera wählen kann. Garantien, dass die E-ID wirklich freiwillig bleibt? Fehlanzeige.

Juristen wie Martin Steiger rollen inzwischen mit den Augen: Das Gesetz werde sogar vom eigenen Bundesamt falsch ausgelegt. Eigentlich müsste es für alle gelten, auch für Onlinedienste. Aber das Bundesamt für Justiz jongliert lieber mit Spitzfindigkeiten. Kritiker wie EDU-Grossrat Kullmann sehen darin den Beweis: Die angebliche Freiwilligkeit ist ein Kartenhaus. Und auch Datenschützerin Amgwerd warnt: Ohne Recht auf ein «Offline-Leben» ist das Ganze so freiwillig wie eine Impfpflicht mit moralischem Pranger.

Gleichzeitig treibt der Bund das Projekt schon vor der Abstimmung in den Beta-Modus. 120 Beamte und 180 Millionen Franken sind längst in Stellung, Verhandlungen mit Brüssel laufen auf Hochtouren. Offiziell, damit man «bei einem Ja sofort liefern kann». Übersetzt: Wir bauen das System schon mal, ihr dürft dann symbolisch abnicken.

Im Herbst entscheidet das Stimmvolk erneut. Doch eins steht fest: Ob man will oder nicht – der E-Ausweis ist auf dem Vormarsch. Freiwillig natürlich. So freiwillig wie die Steuererklärung.

E-ID: Bund verspricht Freiheit - liefert Zwang


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