Wir leben nicht etwa in einer Demokratie, sondern in einer Pilotstudie für verhaltensgesteuerte Ökonomie. Oben: Eine Handvoll Superreicher mit Privatjets und Privatgesetzen. Unten: Wir – Beta-Tester mit Nutzungsbedingungen. Die Frage der Stunde lautet nicht mehr «Wer zählt die Stimmen?», sondern: Wer kontrolliert den Ausschalter für dein Geld?
Willkommen in der schönen neuen Welt des programmierbaren Geldes. Klingt praktisch – wie ein Spotify-Abo, nur für dein Konto. Heute noch Zahlung, morgen schon Erziehungsmassnahme. Du hast etwas Unerwünschtes gesagt, gekauft, gegessen, geteilt? Ups, dein Limit ausserhalb deiner 15-Minuten-Stadt aka SmartCity ist erreicht. Bitte bleib daheim – wir schalten dich sonst auf Sparflamme. Alles natürlich im Namen der Sicherheit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit – die grosse Dreifaltigkeit der Begründungen, wenn Freiheit teuer wird.
Der Weg dahin führt über das Internet der Körper. Früher hiessen wir Bürger, heute heissen wir Sensorträger. Wearables, smarte Ringe, implantierbare Mikrochips – was für ein Fortschritt: Endlich kann man die elektrische Signatur deiner Müdigkeit mit deiner Kreditkartenhistorie verheiraten. Die Verkaufsstory ist simpel: «Optimierte Gesundheit durch Daten.» Blöd nur, dass die Kurve der Datensammlung steigt, während die Kurve der Volksgesundheit fällt. Könnte mit EMF-Dauerbestrahlung, Stress, Schlafmangel, Ultra-Prozesskost, Arbeitsverdichtung oder schlicht Daten-Monetarisierung zu tun haben. Aber pssst, wer will schon Korrelationen sehen, wenn Dashboards so hübsch blinken?
Künstliche Intelligenz ist dabei der neue Betreuer im digitalen Heim. AI kann alles simulieren, was man mathematisch ausdrücken kann – also vor allem dein Konsumverhalten. Pack das zusammen mit «Geld, das sich aus der Ferne umprogrammieren lässt» und schon verwandelt sich die Marktwirtschaft in Nudging by Wallet. Heute Bonuspunkte für die richtige Meinung, morgen ein Timeout für Bargeld-Romantiker. Wer glaubt, das sei Science-Fiction, hat die letzten Jahre verschlafen: Konten eingefroren, Spenden gestoppt, Zahlungswege abgedreht – alles bereits vorgekommen. Und immer gibt es eine wohlklingende Begründung. Autoritäre Massnahmen kommen nie im Kampfanzug – sie kommen im Design-Thinking-Jäckchen.
Natürlich, man erklärt uns: Bargeld ist schmutzig, digital ist effizient, bequem, modern. Vor allem ist es sichtbar. Jede Transaktion ein Datensatz, jeder Datensatz ein Hebel. Und wenn der «Kampf gegen Geldwäsche» exakt an der Ecke endet, wo die grossen Player beginnen, ist das sicher nur Zufall – so wie Offshore-Konten, Schattenbanken und «Verluste» in Behördenhaushalten. Kein Grund zur Sorge, Programmable Stablecoins lösen das. Sie lösen zwar nicht Korruption, aber deine Autonomie.
Der Clou heisst digitale ID + programmierbares Geld. Zusammen ergibt das eine Fernbedienung, die den Staat, die Plattformen, die Banken und die Regulatorik in einen einzigen Gatekeeper giesst. Finanzpolitik via Software-Update: Wenn Inflation nervt, friert man halt Konten ein. Wenn falsche Produkte gekauft werden, deaktiviert man die Transaktion. Wenn falsche Ziele besucht werden, geht die Mobilitäts-Wallet auf stumm. Nenn es nicht Zensur – nenn es Policy-Enforcement. Klingt doch gleich gesünder.
Und bevor jemand «Verschwörung!» ruft: Braucht’s gar nicht. Es reicht Konzentration von Infrastruktur: Fünf Bezahlanbieter, vier Cloud-Hyperscaler, drei App-Stores, zwei Kartenschemes – eine Richtung. Der Rest erledigt sich durch AGB-Updates, Content-Policies und «Risiko-Management». Wer widerspricht, wird «de-risked» – ein feines Wort für «kontolos gemacht».
Gesundheit? Ebenfalls digital kuratiert. Mit programmierbarem Geld lässt sich Ernährung umstellen, ohne Debatte und ohne Werbung: Dein Konto kauft nur noch, was die Richtlinie erlaubt. Lab-Meat statt Steak, Insektenmehl statt Bäckerhandwerk – nicht, weil du überzeugt wurdest, sondern weil deine Zahlung scheitert. Impf-Reminder? Jetzt mit Transaktionssperre. Das ist keine Medizin – das ist Finanz-Compliance mit Spritze.
Und was tun? Die Antwort ist unsexy, aber wirksam:
- Bargeld benutzen. Nicht aus Nostalgie, sondern als Redundanz und Privatsphäre. Analog ist nicht romantisch, analog ist resilient.
- Lokale Banken / Genossenschaften statt «too big to care». Je näher die Entscheidungsträger, desto schwieriger der Fernschalter.
- Dezentral zahlen (wo legal), Checks, echte Rechnungen, echte Kassenbelege. Ja, es nervt – aber weniger als Kontofrost.
- Politik auf Landes-/Kantonsebene: Barzahlungspflicht in Behörden, Recht auf nicht-digitales Leben, Infrastruktur für offline. Freiheit ist eine Frage der Standards, nicht der Slogans.
- Minimiere Sensor-Abhängigkeit. Dein Körper ist kein API-Endpunkt. Kein Wearable der Welt ersetzt Schlaf, Licht, Bewegung, Essen aus einer Küche statt aus einem Labor.
Das ist kein Aufruf zur Steinzeit. Das ist ein Aufruf zur Architektur: Systeme so bauen, dass Missbrauch teuer wird. Heute heisst Freiheit nicht «alles digital» – sie heisst Optionen. Ein System, das nur eine Spur zulässt, ist kein Fortschritt, sondern Schienengefängnis.
Kurz gesagt: Der «Krieg» ist real – nicht Panzer gegen Menschen, sondern Plattform gegen Person. Die Superreichen müssen die Vielen nicht besiegen, sie müssen sie nur parametrisieren. Der Rest erledigen Algorithmen, die du mit deinem Verhalten trainierst.
Oder du hörst auf, der kostenlose Datensklave zu sein, der seinen eigenen Käfig liked.
Benutz dein Geld, als wäre es deins. Benutz deine Gesundheit, als wäre sie nicht leasingfähig. Und benutz dein Hirn, als wäre es kein Abo-Modell.
Freiheit war nie gratis.
Aber sie ist unbezahlbar, solange niemand den Aus-Knopf für dein Leben in der Cloud hat…


«Dravens Tales from the Crypt» bezaubert seit über 15 Jahren mit einer geschmacklosen Mischung aus Humor, seriösem Journalismus – aus aktuellem Anlass und unausgewogener Berichterstattung der Presse Politik – und Zombies, garniert mit jeder Menge Kunst, Entertainment und Punkrock. Draven hat aus seinem Hobby eine beliebte Marke gemacht, welche sich nicht einordnen lässt.







