Heute möchte ich feierlich verkünden: Die Menschheit hat es geschafft – wir sind offiziell eine globale Selbsthilfegruppe, in der jeder jedem erklärt, wie man lebt und am Ende trotzdem keiner weiss, was er da eigentlich macht. Experten. Überall Experten. Sie wachsen schneller als Schimmel in einer feuchten Mietwohnung. Jeder Zweite ist heute Coach, der Dritte ist Guru, der Vierte schreibt Ratgeber und der Fünfte dreht TikTok-Videos darüber, wie der Sechste sein Leben ändern soll. Und der Siebte? Der weiss gar nicht, dass es ihn gibt – aber er hat trotzdem einen Podcast.
Experten für Tantra. Natürlich online. Ohne Körperkontakt, ist klar. Experten für Beziehungen. Meistens dreimal geschieden, aber hey – Erfahrung zählt! Experten für Politik. Natürlich aus der YouTube-Universität mit Abschluss «Welt retten in 5 einfachen Schritten». Experten für Psychologie. Schon mal selbst eine Panikattacke gehabt? Zack, Diplom. Experten für Religion. Die alle genau wissen, was Gott denkt – und komischerweise immer wollen, dass Gott genauso denkt wie sie.
Experten für Geschichte. Die jeden Beweis, der nicht in ihr Weltbild passt, einfach «uminterpretieren». Experten für Finanzen. Alle mit Ferrari im Profilbild, geleast auf 12 Jahre. Experten für Channeling. Die wahlweise Jesus, Erzengel Michael oder das energetische Kollektiv der kosmischen Einhörner sprechen lassen – natürlich gegen Spende. Experten für Technik. Die aber nicht wissen, wie man den WLAN-Router neu startet. Experten für Naturheilkunde. Die Krebs mit grünem Smoothie heilen, aber an Aspirin sterben. Experten für medizinische Bereiche. Alle Google-zertifiziert. Experten für Statik, Architektur, Waffen, Installationen, Spiritualität, Sport, Partnerschaft, Recht, Steuern, Kommunikation, Mathematik, Musik, Tanz, Kunst, Erfolg, Astrologie, Dualseelen…
Es ist schon komisch: Je spezialisierter, desto gesellschaftlich anerkannter. Und immer sind es Experten für die Anderen. Nie für sich selbst. Immer nach aussen. Niemals nach innen. Denn in einer Welt, die mit dem Satz «Liebe dich selbst» mehr Menschen verstört als mit der Nachricht «Morgen beginnt der Krieg», da hat Selbstkompetenz einfach keinen Marktwert. Was willst du denn verkaufen, wenn jeder in sich selbst heil werden würde? Keine Therapie. Keine Coachings. Keine Gurus. Keine Pseudo-Lichtarbeiter mit Instagram-Filter. Keine Abos für Apps, die dir sagen, wann du atmen sollst.
Die Wahrheit ist simpel: Mit Lüge macht man Profit. Mit Wahrheit nicht. Und deswegen muss die Wahrheit weggesperrt werden, in die Ecke, wie ein dreckiges Geheimnis. Die Menschheit darf niemals herausfinden, dass sie sich selbst heilen kann. Denn dann wären die Experten arbeitslos. Und weisst du was? Nichts ist heute verachteter als die Liebe zu sich selbst. Mach mal den Test: Sag jemandem, du liebst dich, wie du bist – und beobachte, wie in seinen Augen ein kleiner Brandmelder losgeht. «Arrogant!» «Selbstverliebt!» «Narzisst!» Sag dasselbe über einen Star und alle applaudieren. Aber die Experten? Die lieben dich nicht. Die lieben nur dein Geld. Und wenn sie könnten, würden sie ihre eigene Mutter verkaufen – haben viele wahrscheinlich schon.
Die Seele ist längst verpfändet, das Rückgaberecht abgelaufen. Sie gehören weg. Ab in den Sondermüll. Und zwar zusammen mit dem gesamten System, das sie gezüchtet hat wie Mastschweine im moralischen Schlachthof. Doch bevor man sie entsorgt, könnte man ihnen noch einen letzten Titel verleihen: «Experten für das systematische Nichtstun bei gleichzeitiger Selbstdarstellung.» Würde perfekt auf jede Visitenkarte passen. Und während draussen die Welt brennt, sitzen sie da, in ihren warmen Räumen, tippen ihre Hochglanzweisheiten, trinken ihren Soja-Latte, und sagen dir: «Du musst nur positiv denken – dann wird alles gut.»
Natürlich, klar. Das ist wie zu sagen: «Wenn du die Augen schliesst, gibt’s keine Haie im Wasser.» Aber hey – wir leben nun mal in einer Welt, in der man eher einen Experten für «Krafttiere in der Postmoderne» findet als einen Menschen, der einfach mal ehrlich ist.


«Dravens Tales from the Crypt» bezaubert seit über 15 Jahren mit einer geschmacklosen Mischung aus Humor, seriösem Journalismus – aus aktuellem Anlass und unausgewogener Berichterstattung der Presse Politik – und Zombies, garniert mit jeder Menge Kunst, Entertainment und Punkrock. Draven hat aus seinem Hobby eine beliebte Marke gemacht, welche sich nicht einordnen lässt.







