Es gibt Länder, die nennt man Bananenrepubliken, weil dort Geld, Macht und Politik eine innige, körperliche Beziehung pflegen. Und dann gibt es die Schweiz, die sich empört zurücklehnt, den Zeigefinger hebt und sagt: Wir doch nicht. Wir sind neutral. Unabhängig. Sauber wie ein frisch gewaschenes Reinheft. Genau deshalb wirkt es so rührend, wenn ausgerechnet hier die Grenze zwischen Wohltätigkeit und Einflussnahme mit Filzstift weichgezeichnet wird.
Bill Gates, der selbsternannte Wohltäter der Menschheit, IT-Messias im Ruhestand und passionierter Förderer globaler Gesundheitslösungen, hat wieder einmal tief in die Stiftungskasse gegriffen. Swissmedic, unsere hochoffizielle, selbstverständlich unabhängige Heilmittelbehörde, darf sich über 900’000 Dollar freuen. Sauber aufgeteilt in drei Tranchen, verteilt über drei Jahre. Buchhalterisch elegant. Politisch geräuschlos. Moralisch angeblich lupenrein.
Natürlich handelt es sich dabei um reine Grosszügigkeit. Um Altruismus in Reinform. Um Geld ohne Absicht, ohne Erwartung, ohne Hintergedanken. Wer jetzt lacht, sollte sich schämen. Oder wenigstens leise kichern. Denn laut lachen könnte als unschweizerisch gelten.
Wie die Weltwoche jüngst darlegte, ist das kein Einzelfall. Seit 2014 fliessen kontinuierlich Millionen aus der Gates-Stiftung nach Bern. Insgesamt rund neun Millionen Dollar. Offiziell, versteht sich, zur «Stärkung regulatorischer Systeme» in Entwicklungsländern. Das klingt wunderbar technisch, beinahe edel. Übersetzt heisst es: Wir machen Behörden weltweit kompatibel mit gross angelegten Gesundheitsprogrammen. Impfkampagnen lassen sich so bekanntlich effizienter ausrollen. Zufall? Aber wirklich.
Die Schweiz, dieses stolze Schaufenster direkter Demokratie, demonstriert dabei eine bemerkenswerte Elastizität im Umgang mit Begriffen. Geld von einem der einflussreichsten Akteure im globalen Gesundheitsmarkt nennt man nicht Einflussnahme. Nicht Interessenkonflikt. Schon gar nicht Korruption. Nein, das heisst hier «Finanzierungsbeitrag». Oder noch besser: «Spende». Das Wort wirkt wie Desinfektionsmittel für politische Prozesse.
Als Nationalrat Rémy Wyssmann es wagte zu fragen, ob die Schweiz bei der Verwendung dieser Gelder denn überhaupt frei entscheiden könne, kam die Antwort des Bundesrats mit der beruhigenden Klarheit eines Nebelwerfers: Swissmedic definiere die Aktivitäten «in Zusammenarbeit mit der WHO, der Deza und der Stiftung». Zusammenarbeit. Ein Wort wie ein Wattebausch. Freiheit klingt anders. Souveränität auch. Aber vielleicht sind das Begriffe von gestern.
Besonders elegant ist die Choreografie: Die WHO gibt die globale Richtung vor, Gates finanziert grosszügig und Swissmedic spielt brav mit. Bern nickt, lächelt und versichert, alles sei unter Kontrolle. Man kennt dieses Drehbuch. Es läuft unter dem Titel «Good Governance», Kategorie Entwicklungszusammenarbeit, Untertitel: Vertrau uns einfach.
Die Kritik daran kommt längst nicht mehr nur aus randständigen Milieus. Selbst bürgerliche Stimmen sprechen offen von problematischer Nähe. In sozialen Medien ist von «Filz», «Drehtüren» und «institutioneller Abhängigkeit» die Rede. Manche erinnern daran, dass Swissmedic bereits 2020 Gelder von Gavi erhielt, einer Organisation, die massgeblich von Gates getragen wird. Wieder so ein Zufall. Die Summe der Zufälle wird langsam beeindruckend.
Währenddessen wird die Schweizer Souveränität häppchenweise verpackt und international weitergereicht, gut gemeint natürlich. Immer im Namen der Gesundheit. Wer könnte dagegen sein? Wer Zweifel äussert, gilt schnell als unbequem. Kritisch zu sein passt schlecht zur gepflegten Selbstwahrnehmung eines Landes, das sich gern als moralische Instanz versteht.
Am Ende bleibt das schale Gefühl einer Farce. In einer Republik, die sich neutral nennt, scheint Einfluss käuflich zu sein, solange er höflich verpackt wird. Bill Gates spendet, die WHO koordiniert, Swissmedic reguliert – und die Schweiz verkauft sich das alles als Ausdruck ihrer humanitären Tradition. Philanthropie nennt man das dann. Andere würden es Machtpolitik nennen. Aber das klingt so unschön.
Ein Schelm, wer dabei Böses denkt…


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