Seit mehr als 20 Jahren die Helden in den traurigsten Stunden und die Urväter der Gothicszene sind zurück. Über 40 Jahre hat es gedauert bis zum ersten Cure-Konzert in Basel und das Warten hat sich gelohnt. “The Cure” live sind nicht einfach ein Konzert, “The Cure” live sind ein Ereignis und die Briten um Sänger Robert Smith verwöhnten das Publikum mit 27 Songs von Dark Wave über Indierock bis Pop. Der Sound von “The Cure” war und ist eine Definition für sich und die Band gab bei ihrem Konzert in der Basler St. Jakobshalle wirklich alles, standen die Musiker doch fast drei Stunden auf der Bühne, um die Fans restlos glücklich wieder heimkehren zu lassen. So schön kann traurig sein!
Um 19 Uhr war Einlass in die St. Jakobshalle in Basel und meine Begeisterung hält sich bei dieser Location immer enorm zurück, weil sie klanglich bisher einfach nie wirklich der Rede Wert war und mir generell grosse Arenen nicht wirklich gefallen. Ich mag es einfach lieber etwas intimer und vor allem ist mir auch das klangliche Erlebnis sehr wichtig. So wurde es auch Zig-Tausend Musikfans am Freitagabend klar, das die St. Jakobshalle umgebaut wird, als sie für das Cure-Konzert einen Umweg einschlagen müssen, vorbei an Absperrgittern und Holzverschlägen. Im Innern erwarten sie zwar neue Toilettenanlagen, die Halle selbst erinnert aber immer noch stark an jene Dekade, in der die meisten erstmals mit “The Cure” in Berührung kamen. Wie auch immer, um 19.30 Uhr stand die Vorgruppe “The Twilight Sad” auf der Bühne und die ersten Töne erklangen.
Die Vorband passte gut zu “The Cure”, der Sänger von “The Twilight Sad” aus Glasgow sah nicht nur aus wie Ian Curtis von Joy Divison, sondern bewegte sich auch so. Eine sympathische Band, die sich gefreut hat, wie sie selbst sagten, dass schon so viele Leute so früh dort waren. Sie gaben ein sehr gefühlvolles Konzert, das etwas Melancholie in der Halle versprühte. Trotzdem schienen einige Konzertbesucher nicht ganz so begeistert, viele hielten sich noch weit entfernt von der Bühne auf und generell war das Publikum noch sehr ruhig. Musikalisch, klanglich und gesanglich sind “The Twilight Sad” top. Der erste Song “Reflection Of The Television” kommt live fantastisch. Ich hatte zuvor von den vier Glasgowern noch nie etwas gehört, dabei haben sie seit 2006 schon vier Alben und sechs EP’s veröffentlicht. Diese schottische Mundart gefällt mir eh ganz gut und die Jungs spielten ganze sieben Songs und konnten musikalisch mit gefühlvoller Musik und gutem, düsteren Sound überzeugen.
Setlist “The Twilight Sad”:
- Reflection of the Television
- Last January
- I Could Give You All That You Don’t Want
- Seven Years of Letters
- It Never Was the Same
- There’s a Girl in the Corner
- And She Would Darken the Memory
Um 20:15 Uhr war es dann endlich soweit. Die fünf Musiker von “The Cure” betraten die Bühne, Robert Smith wirkte wie zu erwarten war etwas verschüchtert und legte einfach los ohne sich seine Fans in der ausverkauften Halle grossartig anzusehen. Die Zeilen aus dem ersten Song des Abends, “Open”, könnte man glatt unterschreiben, wenn man sich nur auf die Akustik konzentrieren würde. Leider fällt sofort der zwar lautere, aber dadurch leider auch bescheidenere Sound auf. Glücklicherweise konnte man die einzelnen Instrumente gut heraushören, aber der Sound klingt gesättigt, ein Phänomen, das ich immer wieder erlebe. Auf Kosten der Reinheit des Klanges massiv aufgedrehte Lautstärke, da gefielen mir die Schotten vorab besser. Woran es liegt, dass es wummert, ist schwer zu sagen: Akustik? Technik? Mischmensch? Schade. Die Euphorie wird bei diesem ersten Schweizer Hallenkonzert von “The Cure” seit 2008 nur aus Gründen der Klangqualität gedämpft. Was das Quintett aber auf der Bühne spielte, war umwerfend und mündete bereits nach wenigen Minuten in den ersten Höhepunkten. Wer hätte gedacht, dass uns die Band “The Walk”, “In Between Days” oder “Boys Don’t Cry” schon so früh präsentiert? Robert Smith, den wir in der Vergangenheit auch schon als sperrigen Hitverweigerer erleben dürften, spielte sich mit seinen vier Begleitern bald durch die ersten grossen Klassiker und verbreitet so richtig gute Laune.
Alles sehr schön gespielt und Roberts Stimme klingt noch immer super. Der 57-Jährige ist gesanglich in bestechender Form, variiert cool in den Tonlagen und weicht auch mal von den Originallinien ab. Seine signifikante Stimme hält auch tatsächlich zweieinhalb Stunden lang ohne Abstriche durch. Dass die Briten so bekannte Nummern schon so früh brachten, zeigt auch, aus welch reichem Fundus sie schöpfen können. Ihre Lust auf Abwechslung zeichnet sie auf dieser Tour aus. So schüttelt das Quintett Abend für Abend die Tour-Setliste durch, um sich und das Publikum zu überraschen. Bassist Simon Gallup, 56, trägt heuer eine überdimensionierte Elvis-Tolle und Iron-Maiden-T-Shirt und spielte bevorzugterweise auf den Monitorboxen. Als einziger lotet Gallup die Bühnenbreite aus, spurtet auf Speed, als Kontrast zum stoischen Keyboarder. Der Rest der Band trägt schlichtes schwarz und ihr Alter gut. So auch die Cure-Fans aus den 80ern und 90ern, aber es waren auch überraschend viele ganz junge Menschen da, auch meist schwarz gekleidet. Zur Feier des Tages hatten reichlich viele Männer mittleren Alters Kajal- und roten Lippenstift von ihren Töchtern geborgt und sich die Haare mit Haarspray und Föhn aufgestellt. Die Begeisterung im Publikum ist gross. Im Unterschied zu früheren Konzerten erblickt man nur noch wenige Robert-Smith-Lookalikes. Wir werden alle älter und nicht zwingend behaarter.
Da “The Cure” keine aktuelle Platte bewerben, fehlt ihren Gigs vielleicht ein wenig der erzählerische Rahmen, den ihre Konzertreisen einst prägten. Die Stimmung der jeweiligen Werke übertrug sich einst auf die Setlists, die ausgezeichnet waren von der Mehrheit beflügelter oder sich in Angst vor dem Alter windender Songs. Die Lightshow ist ein wahrer Augenschmaus, üppig und perfekt auf die Musik abgestimmt und auf den LED-Panels hinter der Band gab es ab und zu Live-Kamera-Einblendungen mit Unendlichkeitseffekt. Nach 15 Songs und knapp 90 Minuten Laufzeit war das reguläre Set erstmals zu Ende – und dennoch hatte man erst die Halbzeit erreicht, da noch drei massive Zugabenblöcke folgen sollten. Vor allem der erste Block konnte mit dem grossartigen “Burn” vom “The Crow” Soundtrack sowie “A Forest” überzeugen, was wieder für mächtig Begeisterung sorgte. Die Band hat auf alle Fälle einen gelungenen Querschnitt ihres Schaffens dargeboten. Variantenreich sind Robert Smith’ Melodien, nur “Charlotte Sometimes” und “Disintegration” fehlten. Der dritte Zugabeblock wird zur Party! Auf “Friday I’m in Love”, “Hot Hot Hot!!!” und “Close To Me” folgte der hüpfende Uptempo-Heuler “Why Can’t I Be You” und bildete den Schlusspunkt dieses Abends.
“The Cure” live sind nicht einfach ein Konzert, “The Cure” live sind ein Ereignis! Und es war in der Tat ein grandioses Ereignis einer famosen Band, die auch 2016 vollkommen zu überzeugen vermag. Schade war einzig der Opener, ein gutes Lied sicherlich, nur die Akustik, die war leider unterirdisch schlecht. Trotz des etwas behäbigen Starts konnten “The Cure” wohl die meisten ihrer Anhänger begeistern, auch wenn nicht alle die kompletten drei Stunden durchgehalten haben und für viele noch eine weitere Stunde in der Schlange an der Garderobe folgen sollte. Zu Bedauern gibt es nichts – oder vielleicht höchstens die Tatsache, dass “The Cure” bei ihren Konzerten in Italien sogar noch fünf Songs draufpackten und drei Stunden lang spielten. Und trotzdem gab es alle Hits, aber war trotzdem kein anbiedernder Greatest-Hits-Abend. “The Cure” begeisterten die Fans in der ausverkauften St. Jakobshalle in Basel. Eine umwerfende Band, mitreissende Songs und zweieinhalb Stunden ausgelassene Melancholie, von einem hervorragend gelaunten Robert Smith und Kollegen in Bestform genussvoll zelebriert. Ein gelungener Konzertabend, der mit grossen Gefühlen begonnen hat und auch mit einem Gänsehautfeeling beendet wurde. Hätte nicht besser sein können.
Setlist The Cure:
- Open
- A Night Like This
- The Walk
- Push
- In Between Days
- Boys Don’t Cry
- Pictures of You
- High
- Lovesong
- Just Like Heaven
- Trust
- From the Edge of the Deep Green Sea
- alt.end
- One Hundred Years
- End
- Want
- Burn
- A Forest
- Shake Dog Shake
- Fascination Street
- Never Enough
- Wrong Number
- Lullaby
- Friday I’m in Love
- Hot Hot Hot!!!
- Close to Me
- Why Can’t I Be You?
Encore:
Encore 2:
Encore 3:
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