2007 hat Apple den Smartphone-Boom so richtig los getreten. Heute, sechs Jahre später, hat der längst unschöne Formen angenommen. Wie besessen sind wir eigentlich von unseren Smartphones? Ein kleines Protest-Video zeigt den Alltag in einer technikaffinen Welt, die offenbar nur noch mit dem Blick durchs Handy zu ertragen ist. Das selbstverständliche Hantieren mit dem Smartphone macht selbst vor Situationen nicht mehr halt, wo dergleichen früher tabu war: Beim Candle-Light-Dinner mit der oder dem Liebsten oder gar im Bett. Die Unsitte greift immer weiter um sich.
Seit dem Wochenende macht ein Video die Runde, welches uns allen einen Spiegel über das moderne Kommunikationsverhalten vorhält: “I forgot my Phone”. Wer in diesen Spiegel hineinschaut, dem vergeht das Lachen, denn er zeigt, was alles auf der Strecke bleibt, wenn man das Leben nur noch filmt und jeden Moment, der sich in der Welt ereignet, nur auf dem Display des eigenen Smartphones erleben will. Und es ist vielfach wirklich so! Beim Treffen mit Familie, Freunden und sogar Geliebten haben wir nichts anderes im Sinn, als mit unseren Smartphones herumzuspielen oder den Moment mit der Handy-Kamera festzuhalten. Es scheint, als wäre dies unsere neue, vielleicht auch einzige Form, Erinnerungen zu sammeln und am Leben teilzuhaben.
“I forgot my Phone” stellt den ganzen Internet-Wahnsinn eine junge Frau gegenüber, die ihr Smartphone vergessen hat und deshalb als einzige nicht damit hantiert. Die US-amerikanische Komikerin und Schauspielerin Charlene deGuzman zeigt, wie sehr sich Smartphones in unseren Alltag eingeschlichen haben. “Die Idee zu dem Video kam mir, als mir klar wurde, wie lächerlich wir alle – mich selbst eingeschlossen – waren”, sagt deGuzman im Gespräch mit der “New York Times”, “als ich auf einem Konzert war und die Leute um mich herum die Show mit ihren Telefonen aufnahmen, aber nicht wirklich das Konzert anschauten.” Genau, dass kenn ich auch und sowas nervt mich schon seit Jahren!
So beginnt der Film damit, dass ein Paar gemeinsam im Bett erwacht, doch sie wird gar nicht erst wahrgenommen, weil er schon sein Handy checkt. Es folgen Szenen, die vertraut wirken: Da ist etwa eine Geburtstagsfeier. Die Frau ohne Handy will den Kuchen überreichen, doch sowohl Geburtstagskind als auch die geladenen Gäste konzentrieren sich nur darauf, den Moment mit ihrem Smartphone festzuhalten. Zwei Freundinnen treffen sich zum Picknick. Die Frau ohne Handy will ihrer Begleiterin mit Sekt zuprosten, doch diese hat nur Augen für ihre Smartphone-Kamera und verrenkt sich für die beste Aufnahme des Augenblicks. Auch das Ende des Tages ist nicht wirklich prickelnder: Sie löscht das Licht, man sieht ab da nur noch das bläuliche Glimmen des Phone-Displays. Ein “echter” Gutenachtkuss ist nicht mehr möglich.
Gedanklich und emotional sind wir eigentlich gar nicht mehr dabei, was wir erleben. Den Moment einzufangen scheint wichtiger als ihn zu erleben. Menschen ignorieren sich gegenseitig, weil sie während des Essens, beim Bowling und vielem anderen mehr nur jeweils für sich allein auf ihre Handys starren oder mit irgendwem telefonieren – und eben die unmittelbar Anwesende(n) völlig despektierlich missachten. So schreibt Charlene in ihrem Blog: “Ich habe jetzt erst schätzen gelernt, den echten Moment zu erleben: Leuten zuzuhören, ihre Gesichter zu sehen, Farben zu sehen, Gerüche wahrzunehmen, Essen zu schmecken – und erst jetzt habe ich begriffen, das jeder, ich eingeschlossen, nur an seinem Phone hängt. Das macht mich traurig. Ich arbeite daran, im Moment zu leben – ohne ihn zu instagrammen. Möchtest du nicht mit mir üben, das zu tun, vielleicht nur einen Tag, nur eine einzige Stunde lang?”
Vielleicht ist es manchmal ganz gut, sein Handy zu vergessen, sich einfach mal wieder einmal ganz auf seine Familie, Freunde und Geliebte(n) zu konzentrieren und gemeinsam etwas zu erleben – wie die junge Frau in dem Video, das so smart und gleichzeitig so deprimierend daherkommt. Charlene deGuzman jedenfalls hat ihr Smartphone nicht mehr ständig in der Hand. “Ich hab mein Telefon zwar noch bei mir, aber ich versuche es in der Handtasche zu lassen. Jetzt nehme ich den Augenblick einfach in mich auf und ich muss kein Foto davon posten.”