Eins vorweg, ich war nie ein Fan der Möchtegern Opern Diva Tarja Turunen und ein Die-Hard Nightwish Fan wird aus mir auch nicht mehr werden, doch die finnische Referenz, was bombastischen Orchester-Metal angeht, die Symphonic Metal Band um Keyboarder Tuomas Holopainen sind bekannt für ihre ausgefallenen Special Effects und fulminanten Bühnen- und Lichtshows. Das Schaffen von Nightwish ist bombastisch, ihre Sounds episch, leidenschaftlich und atemberaubend. Wie ihr neues Werk klingt und visuell umgesetzt wird, durfte ich am 24. April auf der «Imaginaerum» World Tour im Hallenstadion Zürich erleben. Und was soll ich sagen? Die Show war einfach grossartig und sowohl Sound wie Effekte perfekt auf einander abgestimmt, so dass selbst ein alter Thrasher gefallen am Auftritt der Finnen fand. Wie kann sowas passieren? Lest selbst…
Ein Nightwish-Konzert ohne das Bratpfannen Gesicht Tarja? Dies war wohl gleich meine erste Frage, als es darum ging, ob man denn an das Nightwish Konzert mitkommen möchte. Ja, ich mag Tarja nicht und zwar überhaupt nicht und es war für mich mehr als nur wichtig sicher zu sein, dass sie zwischenzeitlich nicht ein Comeback in der Band hatte, denn dies wäre für mich definitiv ein Grund, der Veranstaltung fern zu bleiben wie der Teufel dem Weihwasser. Doch an diesem Abend waren auch einige Hardcore-Tarja-Fans anzutreffen, die keine Göttinnen neben ihr dulden und diese wären gescheiter zu Hause geblieben, denn mit Anette haben Tuomas und seine Mannen eine weit bessere Wahl getroffen als mit jeder drittklassigen Möchtegern-Operndiva, die die Metalbühnen dieser Welt bevölkern und den Leuten die Ohren voll jammern. Somit war der Weg geebnet für eine kleine Horizont Erweiterung und Freunde ich bin froh, dass ich es gewagt habe. Nightwish haben im Hallenstadion Zürich eine tolle Show geliefert!
Als Anheizer hatten die Battle Beast geladen, doch da wir etwas zu lange bei Bier und Freunden rumlummelten, haben wir ihren Auftritt vollständig verpasst. Battle Beast spielte aber Heavy Fuckin› Metal, was man so draussen noch mitbekommen hat. Notiz: Lohnt sich eventuell mal reinzuhören. «Imaginaerum» der lang erwartete Nachfolger zu «Dark Passion Play» von Nightwish ist der Anlass der Tour und das Album ist zugleich Soundtrack zu einem Film, dessen Protagonist ein alter Liedermacher mit einer unglaublichen Vorstellungskraft ist. «Imaginaerum» appelliert an unsere Fantasie und längst vergessenen Sehnsüchte aus einer Zauberwelt.
Die Vorfreude im Publikum ist riesig und um Viertel vor neun beginnt unter tosendem Jubel der Hauptact mit seinem Auftritt, Nightwish kamen auf die Bühne. Zumindest klang es danach, denn ein riesiger Fetzen-Vorhang versperrte die Sicht, dies zu «Taikatalvi», das Marco auf einem Schaukelstuhl singt, auch während der ersten Hälfte von «Storytime» verdeckt ein Vorhang die Bühne, bevor er fallen gelassen wird und den Blick freigibt. Über Tuomas mit Zylinder und Frack, Marco mit noch längerem Bart, Anette im eleganten Kleid und mit schwarzen Haaren sowie Blondschopf Emppu thront Jukka auf einem hohen Drumpodest. Ein schmaler, breiter Videoscreen, der während der gesamten Show farbenprächtige Animationen von Karussells, Waldlandschaften und Dark-Kitsch-Montagen zeigte. Eine gigantische und stimmungsvolle Lightshow und massig Effekte wie Flammensäulen, Rauch und rotfarbenes Feuer, das sogar aus den Orgelpfeifen von Tuomas› Keyboard empor schlägt, bieten eine spektakuläre Show fürs Auge.
Mit «Wish I Had An Angel» und «Amaranth» ziehen die Finnen Zürich schnell in ihren Bann, bevor Anette in «Scaretale» ihre Art zu Singen so überzeugend vermittelt, dass man definitiv nur fragen kann: «Who the fuck is Tarja?». Das erotisch knisternde «Slow, Love, Slow» singt sie nicht weniger überzeugend. Für «I Want My Tears Back» und die folgenden Nummern steht der irische Musiker Troy Donockley auf der Bühne, der die Band die gesamte Tour begleitet. Durch seine Uilleann Pipes (irischer Dudelsack) sorgt er live nicht nur bei dem eifrig mitgeklatschten Instrumental «Last Of The Wilds» und «The Islander», bei dem die Zuschauer für ein Lichtermeer sorgen, sondern auch bei «Come Cover Me» für Folk-Feeling. Nicht nur die «Wishmaster»-Nummer, auch die erstmals seit 2005 live gespielten «Planet Hell» und «Over The Hills And Far Away», die sorgsam für Anettes und Marcos Stimme umarrangiert wurden, sowie «Dead To The World» beweisen einmal mehr, dass Anette ehemalige Tarja-Standards auf ihre ganz eigene Weise singen kann.
Zwischendurch dürfen sich die Zuschauer über eine träumerische Akustikversion von «Nemo», die aktuelle Single «The Crow, The Owl And The Dove» und das bedrohliche «Ghost River» freuen, bevor das Instrumental «Finlandia» von Jean Sibelius den Zugabenblock einleitet. Der macht erneut klar, dass Nightwish voll auf ihr aktuelles Album setzen. Auch die beiden Zugaben «Song Of Myself» und das passende «Last Ride Of The Day» mit Feuerwerk stammen von der neuen Scheibe; den orchestralen Titelsong als Outro mitgezählt, kommen rund zehn neue Songs zum Zuge. Die funktionieren live übrigens sehr gut, auch wenn die «Dark Passion Play»-Songs und ältere Nummern natürlich am meisten abgefeiert werden. Auch an Pyroeffekten wurde nicht gespart.
Mein Fazit des Abends: Nightwish verstehen es, eine tolle Show zu liefern! Die Jungs beherrschen ihr Handwerk und auch die Kunst der Inszenierung. Der heimliche Frontmann war Marco – nicht nur bei den Stücken, in denen er einen Vocalpart hatte. Der herumwirbelnde Emppu, Jukka und Tuomas, der an seinem Keyboard immer wieder zur Flasche Wein greift, bieten einen sehr überzeugenden Auftritt und wirken mit einer dauergrinsenden, tanzenden und fantastisch singenden Anette homogen. Der Spass ist den Musikern auf der Bühne jedenfalls deutlich anzusehen, Donockleys Einsätze machen den Sound noch facettenreicher. Die Spielfreude, eine gelungene Setlist und die opulente Show sind es definitiv Wert, sich Nightwish zu Gemüte zu führen!
Setlist:
- Taikatalvi
- Storytime
- Wish I Had an Angel
- Amaranth
- Scaretale
- Slow, Love, Slow
- I Want My Tears Back
- Come Cover Me
- The Crow, the Owl and the Dove
- The Islander
- Nemo
- Last of the Wilds
- Planet Hell
- Ghost River
- Dead to the World
- Over the Hills and Far Away (Gary Moore cover)
- Finlandia (Jean Sibelius cover)
- Song of Myself
- Last Ride of the Day
Encore:
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