In den 80er und frühen 90er Jahren waren “Die Krupps” absoluter Kult und mit “Machineries Of Joy” und “Metal Machine Music” lieferte man Meilensteine ab. Danach rückte man mehr und mehr vom elektronischen Sound ab und versuchte mit stärkerem Gitarreneinsatz neue Wege zu beschreiten. Seit der Jahrtausendwende wurde auch kein weiteres Album veröffentlicht. Nun meldet sich die Band, die man Electro, EBM, Industrial, Crossover und gar Metal nannte und ein Klassiker der elektronischen Musikgeschichte ist, mit einem neuen Album zurück. Als wäre dies nicht Überraschung genug wird dieses mit “The Machinists Of Joy” betitelt, was Hoffnungen schürt. Doch was das erste Studioalbum in diesem Jahrtausend letztlich wirklich bietet hätte ich mir wirklich in der Form niemals zu erträumen gewagt. Nach mehrjährigen Wartungsarbeiten hat die Band um Sänger Jürgen Engler ihre Werkstore wieder geöffnet, die Maschinen entstaubt und geschmiert und mit “The Machinist of Joy” geht ein neuer Prototyp vom Band. “Die Krupps” sind seit Anfang der 80er eine Institution des Industrial Electro. Seither haben die Düsseldorfer wegweisende Alben und erstaunliche Stilwechsel vollzogen. Wie klingt die Band im Jahre 2013?
Mit ihrem ersten Album dieses Jahrtausends hieven sich “Die Krupps” aus Omas Klamottenkiste und klopfen den Staub von den Maschinen. “The Machinists Of Joy” wirft seine elektronischen Schatten voraus, das heisst, der Name ist Programm und dieses Programm wiederum ist elektroschwanger. Wer in den 80ern sich schon musikalisch im elektronischen Bereich als verwöhnter Hörer und Geniesser befunden hat, der wird in dem neuen Album nicht nur ihren bekannten und No. 10-Billboard-Hit aus dem Jahr 1989 “Machineries of Joy” namentlich wiedererkennen, sondern auch musikalisch und textlich sind sich die hart arbeitenden Fabrikjungs treu geblieben. Der Album-Titel gibt bereits eine Orientierungshilfe und signalisiert, dass es wieder mehr die Elektronik denn die Gitarre ist, die das Krupps-Klangbild beherrscht. Dennoch sind Gitarrist Marcel Zürchers durchsetzungsstarke Riffs zielgerichtet in den Songs platziert.
Gleich der Opener “Ein Blick zurück im Zorn” bietet herrlich intensive und rasante Beats gepaart mit treibenden Gitarren, so dass man sich doch tatsächlich wieder an die erfolgreichsten Zeiten der Band zurückerinnert fühlt. Hier wird wieder die perfekte Crossover Symbiose aus EBM und Metal geboten, wobei erstgenanntes hier eindeutig die Oberhand hat. Statt eines überladenen, elektronischen Musikstücks serviert einem Krupps-Mastermind Jürgen Engler hier eine geschmackvolle Fusion zweier emotionsgeladener Musikstile. Auch das anschliessende Stück “Schmutzfabrik” ist musikalisch wie auch textlich so viel EBM, mehr geht kaum noch. Harte bissige Beats, raffinierte Sequenzer Sounds, gezielt gesetzte “Hammer-auf-Amboss-Sounds” und ein stahlharter kalter Gesang. Das nennt man Maschinen Musik! “Die Krupps” präsentieren in ihrem neuen Album ein textlich gewachsenes Stück Arbeit, musikalisch runder und ansprechender. Der Electro-Express nimmt weiter an Fahrt auf und ein kühl angehauchter Sprechgesang trifft auf stakkato-artig-getacktete Synthie-Beats. Der Beat der Gitarre und des “Stahlofons” bleibt elektronisch, sticht heraus und treibt selbst den tanzscheuen Hörer auf die Bretter, um sich hart arbeitend dem Rhythmus hinzugeben.
Ab dem Song “Risikofaktor” beherrscht der in den frühen Jahren vorherrschende Electro-Sound der Krupps den Sound und Fans der frühen Jahre der Band wird dies sehr freuen. Diejenigen, die sich erst später mit der Musik der Düsseldorfer Band auseinandergesetzt haben, könnten nun ein wenig abgeschreckt reagieren. Mit “Robo Sapien” gehen die Musiker zwar nochmal ein wenig auf Versöhnungskurs, drehen dann aber den Electro-Schalter bis zum Anschlag auf. Spätestens hier beginnt das Album für späte Fans der Truppe zu schwer verdaubarer Kost zu werden, wahre Krupps Fans werden begeistert sein. Love it or hate it! Der Ohrwurm-Faktor ist enorm hoch mit “The Machinist of Joy”, dem gleichnamigen und besten Titel des Albums und lässt einem dank der stampfenden Beats einen Schauer des Glückes über den Rücken laufen. Ein weiterer Hit für die Clubs und ein Hochgenuss für jeden Liebhaber des elektronisch harten Musikgutes. In den Songs beargwöhnen “Die Krupps” die Kriegs- und Industriemaschinerie (“Nazis auf Speed”, “Schmutzfabrik”), die zunehmende Enthumanisierung (“Robo Sapien”) oder die Zustände im Heimatland (“Im falschen Land”) – aber sind auch voll Freude bei der Arbeit (“Machinist of Joy”, “Part of the Machine”) und bei der Zweisamkeit (“Eiskalter Engel”, “Industrie-Mädchen”). Einziges Manko, dadurch, dass sie sich dem breiteren Hörer-Spektrum öffnen wollen, besteht die Gefahr, dass eingefleischte Electro-Fans etwas mehr an Normalo-Popmusik erinnert werden, denn als reinen Electro.
Auch wenn “Die Krupps” mitunter in der schwarzen Szene verortet werden, so sprechen sie doch ihre eigene Sprache und haben durch ihre lange Historie und die vielen durchlaufenen musikalischen Phasen einen breitgefächerten Hörerkreis – auf dem neuen Tonträger wird denn auch die ganze Bandbreite geboten. Hier sind Lieder vorhanden, die nicht nur für den Industrial-Dancefloor, sondern auch für Betriebsfeste und Protestmärsche, auf den Barrikaden und in den Werkskantinen passen, wo “Kraftwerk” von Neonlicht und Schaufensterpuppen sangen, singen “Die Krupps” von Schmutzfabrik und Engeln aus Stahl und das in deutsch und teilweise englisch. Die Essenz der Krupps könnte man so benennen: Maschinen-Musik, hart, tanzbar, teils episch, gespickt mit gezielten Gitarrenattacken und dem ewig währenden Hämmern des “Stahlofons”, gepaart mit zeitgemässen kritischen Texten, die sich souverän von der Masse dessen absetzen, was heutzutage leider Norm ist. Wenn man “The Machinists of Joy” auf sich wirken lässt entsteht der Eindruck, dass die Band stärker ist als je zuvor, denn alle Songs halten ein hohes Niveau. Das Werk ist erfreulich dynamisch geraten, modern produziert, ohne jedoch so clean zu klingen wie so manch Rerelease der Vergangenheit. Wer “Die Krupps” früher mochte muss das Album haben, wer auf EBM steht sowieso!
Tracklist:
- Ein Blick zurück im Zorn
- Schmutzfabrik
- Risikofaktor
- Robo Sapien
- The Machinist of Joy
- Essenbeck
- Im falschen Land
- Part of the Machine
- Eiskalter Engel
- Nocebo
- Im Schatten der Ringe
- BONUS: Nazis auf Speed
- BONUS: Industrie-Mädchen
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